Dienstag, 28. Dezember 2010

Redewettbewerb und Kaufverhandlungen in Chongqing

Am Wochenende vor Weihnachten bin ich mit einer Kollegin und zwei Schülerinnen (Inge und Viktoria) zum Ersten Redewettbewerb nach Chongqing geflogen. Diese Megacity (anders kann man diese gigantische Stadt nicht bezeichnen) liegt mitten in China und gilt als guter Ausgangspunkt für Jangtse-Kreuzfahrten. Doch diese finden im Winter nicht statt und so konnten und mussten wir uns ganz auf den Wettbewerb konzentrieren. Der Wettbewerb wurde nach dem Modell von Jugend debattiert ausgetragen.
In der Vorrunde wurde über die Frage debattiert: Sollen die Eltern ihren Kindern Computerspiele verbieten? Und im Finale, das Viktoria auch erreichte, ging es um das Thema: Sollen Schönheitsoperationen in China verboten werden? Unsere Schule holte bei insgesamt 12 Teilnehmern den respektablen 2. Platz und wir waren damit zufrieden; gewonnen hat die Fremdsprachenschule aus Wuhan.
Im Touristenviertel von Ciqikou habe ich dann am freien Sonntag einige buddhistische Tempelanlagen besichtigt. Blickt man über die Dächer der Tempel, dann sieht man eine seltsame Mischung aus verfallenden Häusern und riesigen Baustellen, auf denen fortwährend Hochhäuser hochgezogen werden. Die ganze riesige Stadt wirkt wie ein graues und schmutziges Durcheinander. Das Verkehrssystem ist chaotisch. Es gibt keine U- oder S-Bahnen; alles läuft über Taxis und Busse, wobei man doch eigentlich nicht sagen kann, dass „es läuft“, denn es steht alles permanent im Stau. (Vom Flughafen bis zu unserem Hotel brauchten wir etwa 2 Stunden; also fast so lange wie für den Flug von Shanghai nach Chongqing.)

Meine chinesische Kollegin verstand die Kellner und Taxifahrer in Chongqing nicht oder nur sehr schlecht und umgekehrt war es wohl ganz ähnlich. Hier bot sich mir ein ausgezeichnetes Beispiel für die Tatsache, dass Chinesisch nicht gleich Chinesisch ist, was man aber bereits in Suzhou (also praktisch vor der Shanghaier Haustür erfahren kann). Das Sprachwirrwarr erhöhte naturgemäß den Eindruck des Durcheinanders.
Ich ließ mich davon aber nicht abschrecken und verhandelte mit einem Souvenirhändler um ein Bild von Lei Feng – übrigens das erste, was ich in China bisher zu Gesicht bekommen habe. Der Händler begann bei 480 RMB und behauptete, es sei ein Original aus den 60er Jahren. Er zeigte fortwährend auf das Datum, das auf dem Poster aufgedruckt war. Ich sagte 40 und am Ende haben wir uns bei 80 RMB geeinigt (also umgerechnet etwa 9 Euro). Natürlich hat er dabei ein super Geschäft gemacht, aber mir war dieses Bild 80 RMB wert, das nun in meiner noch immer recht kahlen Wohnung hängt. Das Verhandlungsbeispiel zeigt, dass die Händler auf den Touristenmärkten es zunächst mit utopischen Summen versuchen … es empfiehlt sich (teilweise) wirklich auf etwa ein Zehntel des geforderten Wertes zu gehen. Ach so, wer nicht weiß, wer Lei Feng ist, der muss im Internet nachschauen.
Trotz dieser chaotischen und „überteuerten“ Verhältnisse hat es mir in Chongqing nicht schlecht gefallen, vielleicht komme ich einmal wieder in die Stadt, um eine Kreuzfahrt zu machen. Dort wohnen möchte ich freilich nicht.

Ausflug nach Suzhou

Am letzten Novembersamstag haben wir einen Ausflug nach Suzhou gemacht. Der Ausflug wurde von der hiesigen Gewerkschaft organisiert und finanziert; überhaupt – so hat man es mir gesagt – ist die Gewerkschaft hier nicht für Tarifverhandlungen und dergleichen zuständig, sondern vor allem für Kollegiumsausflüge.
Suzhou liegt etwa 80km westlich von Shanghai und ist vor allem durch seine Gärten berühmt. Der Ausflug führte uns unter anderem zur Ruiguang-Pagode und zu einer alten Befestigungsanlage am Großen Kanal, der einst Suzhou mit Peking verband. Suzhou, so erklärte es mir ein Kollege, zeichnet sich durch ein vorzügliches Feng-Shui-Gleichgewicht aus, sodass sich viele Chinesen auch gerne in Suzhou beerdigen lassen.
Die Stadt bietet aber auch für die noch Lebenden viele Erholungs- und Freizeitmöglichkeiten. An einem großen Stadtsee konnte man Bootfahren, Tandemfahren, Drachen steigen lassen und alle möglichen Süßigkeiten bei Straßenhändlern naschen. Am Nachmittag ging es dann wieder im Schulbus zurück nach Shanghai.

Donnerstag, 2. Dezember 2010

Vorweihnachtliche Adventsgrüße

In Deutschland beginnt nun die Adventszeit und der Winter hat bereits – wie ich gehört habe – mit eisigen Temperaturen Einzug gehalten. Hier hingegen herrschen noch angenehme Temperaturen um die 20 Grad Celsius. Dennoch stimme ich mich auch schon mal auf die Vorweihnachtszeit ein und schicke allen „Frohe Adventsgrüße aus Shanghai!“
Dieser Schokoladenweihnachtsmann (siehe Foto) wurde für teures Geld (über 6 Euro!!) in Shanghai gekauft und steht nun unter der chinesischen Fahne. Oder flattert die chinesische Fahne über ihm? Das ist Ansichtssache. Jedenfalls stehen beide jetzt bei mir im Zimmer. Doch der Weihnachtsmann wird nicht lange überleben …


Die Deutscholympiade

Vom 19. – 21. November fand die Vierte nationale Deutscholympiade in Shanghai statt. Bei dieser mittlerweile recht prestigeträchtigen Veranstaltung nahmen dieses Jahr 75 Schüler von 42 Schulen aus ganz China teil. Als Favoriten gelten stets die traditionellen und man muss auch sagen elitären Fremdsprachenschulen aus Nanjing, Wuhan und Shanghai (Puxi). Der diesjährige Gastgeber war die Puxi-Fremdsprachenschule, in der man neben Englisch, Deutsch und Französisch beispielsweise auch Japanisch, Russisch, Italienisch und viele andere Fremdsprachen erlernen kann. In der Schule habe ich auch ein Bild und einen Spruch von Goethe gefunden, den ich bei dieser Gelegenheit als Foto einmal mit veröffentliche.



Meiner Schule, der Pudong Fremdsprachenschule, wurden immerhin Außenseiterchancen eingeräumt. Wir waren mit zwei Schülern – Franziska (Niveau B1) und Peter (Niveau A2) – vertreten. Der Wettbewerb fand auf drei verschiedenen Niveaustufen (A2, B1 und C1) statt und bestand auf den Stufen B1 und C1 im Halten einer Präsentation und einem anschließenden Gespräch über das Präsentationsthema.
Franziska überzeugte mit ihrer Präsentation „Das Oktoberfest“ in der Vorrunde und kam ins Final unter die besten acht. Das war für uns alle aus Pudong ziemlich aufregend, denn nun hatte wir auch Chancen auf den Sieg. Die Konkurrenz war hoch, aber Franziska brillierte bei der Präsentation und konnte auch im Gespräch die Jury inhaltlich und sprachlich überzeugen. Und so haben wir tatsächlich gewonnen. Das Foto zeigt unsere kleine „Pudonger Mannschaft“ nach der Preisverleihung: meinen Kollegen Herrn Song, Peter (in unserer Schuluniform), Franziska und mich. Als Preis hat Franziska eine 14tägige Reise nach Deutschland gewonnen … und wer will kann sie dort also im Sommer treffen und sich von ihren wirklich guten Deutschkenntnissen überzeugen.

Das C1-Finale fand auf beeindruckend hohem inhaltlichen und sprachlichen Niveau statt. Interessanter- und für mich überraschenderweise wurden dabei auch sehr chinakritische Themen vorgeführt. Ein Schüler (aus Wuhan) berichtete über das umstrittene System der „Haushaltsregistrierung“, nach dem Stadt- und Landbevölkerung unterschiedlich behandelt werden. So gibt es in China beispielsweise nicht das in unserem Grundgesetz verankerte Recht auf Freizügigkeit.
Eine Schülerin (aus Nanjing) thematisierte den Begriff der „Restfrauenzeit“, hinter dem sich das für China besondere Phänomen der unverheirateten Akademikerinnen verbirgt.
Der erste Preis wurde aber für einen Vortrag vergeben, der sich mit einem recht deutschen Thema beschäftigte, nämlich der Frage nach der Verlängerung der Restlaufzeiten für deutsche Atomkraftwerke. Am Ende kamen alle Sieger aus Shanghai. War dies nun Zufall oder ein Heimvorteil?

Montag, 15. November 2010

Ein Ausflug nach Qingdao

Das 1898 von den Deutschen als Stadt gegründete Qingdao ist heute ein von vielen Chinesen besuchter Ausflugs- und Badeort. Ich wollte einmal wissen, was heute noch von den deutschen Einflüssen (außer dem bekannten Bier) erhalten ist, und habe mich also in das gut eine Flugstunde nördlich von Shanghai gelegene Qingdao begeben.


1.Etwas Historisches (auch für Maofreunde)
Auf einem Spaziergang durch den alten Stadtkern von Qingdao kann man ganz vereinzelt noch Gebäuden aus der deutschen Kolonialzeit begegnen: einem etwas verfallenen, ehemaligen Seemannsclub, den beiden Kirchen (protestantisch und katholisch), zahlreichen Villen, dem prächtigen Bahnhofsgebäude und vor allem dem ehemaligen Gouverneurssitz, der heutzutage ein Museum ist, in dem doch auch tatsächlich ein Bett ausgestellt ist, in dem der Große Vorsitzende Mao höchst persönlich gelegen haben soll.
Wenn man aus der heutigen Hubei Lu wieder die alte Kronprinzenstraße machte und die Qufu Lu wieder in die Berliner Straße zurückverwandelte, schließlich noch die chinesischen Hochhäuser und Kaufhäuser samt der ausländischen Fast-Food-Ketten einebnen würde, dann, ja dann hätte man die einstige Musterkolonie wieder zurück und man könnte glatt meinen, man sei in einer deutschen Kleinstadt um 1900. Aber wer will schon in Deutschland um 1900 sein? Und wer will in China um 2010 sein?

2.Etwas Sportliches (auch für Platoniker)
Der Zufall wollte es, dass ich – bei meiner Suche nach einer Gelegenheit den Lao Shan (ein Berg östlich von Qingdao) zu erkunden – auf eine chinesische Reisegruppe aus Wuhan stieß, mit der ich dann auch tatsächlich den ganzen Tag verbracht habe. Natürlich habe ich die gesamten Ausführungen der chinesischen Reiseleiterin nicht verstanden, auch wenn sie alles laut und deutlich durch ein Megaphon verkündete. Umgekehrt muss es meinen chinesischen Mitreisenden ganz ähnlich ergangen sein, wenn ich meine chinesischen Sätze (oder das, was ich dafür hielt) vor mich hin brabbelte.
Irgendein Chinese passte aber immer auf mich auf und so konnte ich auch nicht verloren gehen und habe alle Abfahrtszeiten des Busses pünktlich eingehalten. Die Gipfelbesteigung war ein ganz nettes Abenteuer: Zuerst sind wir mit einer Gondelbahn etwa 800 oder 900 Meter hinauf gefahren und dann durch den Felsen hindurch auf den Gipfel gestiegen. Wir sind also nicht außen an den Felswänden hinaufgegangen, sondern tatsächlich in den Berg hinein und dann eine wirklich finstere Höhle hinaufgeklettert. Da ich naturgemäß keine Taschenlampe bei mir hatte, war ich wirklich froh, dass alle Chinesen um mich herum mit ihren Lampen leuchteten, sodass ich hin und wieder sehen konnte, wohin ich trat. Der Höhlenaufgang war an einigen Stellen so schmal und eng, dass ich mich nur mit Mühe hindurch quetschen konnte. Spätestens zu diesem Zeitpunkt bekam das von mir zunächst belächelte Hinweisschild am Höhleneingang seinen Sinn; auf diesem Schild stand nämlich tatsächlich, dass dicken Menschen der Zutritt zur Höhle verboten ist (für Freunde des Konjunktivs: sei).

Nach diesem chinesisch-deutschen Höhlenaufstieg möchte ich sagen, dass ich Platons Höhlengleichnis nun wirklich viel besser verstehe. Man muss so eine Höhlenkletterei auf allen vieren wirklich einmal mitgemacht haben. Da wird man doch gleich wieder zum Affen oder gar zum Hund. Den Chinesen und mir hat das aber gut gefallen und am Ende wehte uns auf etwa 1100m ein frischer Wind um die Nase. Wobei das Wort „Nase“ hier vielleicht nicht ganz politisch korrekt ist (Stichwort: Langnasen). 
 
Am Ende besuchten wir noch einen Tee- und einen Fischladen, in denen sich meine Mitreisenden für die nächsten 10 oder 100 Jahre mit Tee und allen möglichen Fischprodukten eindeckten. Ich selbst habe mir für 40 RMB (Renminbi) grünen Laoshantee gekauft, denn der soll ja gesund sein. In Qingdao trennten sich dann wieder unsere Wege.



Am 14. November, auf den Tag genau 113 Jahre nach dem die Deutschen die Stadt besetzten, habe ich die Stadt wieder Richtung Shanghai verlassen. Zurück in der Gegenwart muss ich nun wieder Deutschunterricht erteilen.

Sonntag, 7. November 2010

Uwes Frageecke

In Emails, Briefen und auch mündlich vorgetragen von lieben Besuchern erreichen mich immer wieder diverse Fragen zu Land und Leuten. Und so will ich mir heute mal einige Fragen vornehmen und diese beantworten.

1.Wann und wie oft gibt es in China Schulferien?
In China gibt es im Prinzip nur zwei Mal Ferien, nämlich im Sommer die großen achtwöchigen Schulferien von Anfang Juli bis Ende August und dann noch die etwa vierwöchigen Ferien zum chinesischen Neujahrsfest im Februar. Da sich das chinesische Neujahrsfest bzw. Frühlingsfest nach dem Mondkalender richtet, schwanken die Daten für diese Ferien zwischen Ende Januar und Ende Februar.
Es gibt aber noch in der Woche des ersten Oktobers (sogenannte Goldene Woche) und in der Woche des ersten Mais jeweils fünf freie Tage, in denen sehr viele Chinesen unterwegs sind. Ich würde diese freien Tage aber nicht als Ferien bezeichnen, da die „versäumten“ Tage an den voraufgehenden und nachfolgenden Wochenenden wieder abgearbeitet werden müssen. Das bedeutet, dass an chinesischen Schulen auch am Samstag und Sonntag Unterricht stattfinden kann. Letzteres ist an meiner Schule für einzelne Klassen und Kurse auch unabhängig von den Feiertagen recht oft der Fall.

2.Stimmt es, dass die Chinesen so viel auf die Straße spucken und rotzen?
Es ist jedenfalls vereinzelt zu beobachten, dass einige Chinesen tatsächlich etwas – ich will darauf jetzt nicht weiter eingehen – lauthals hochwürgen und dann auf die Straße oder den Gehsteig spucken. Ich habe auch schon Chinesen gesehen, die zu einer Mülltonne gehen, um dort hinein zu rotzen. Die Rotzerei muss aber (nach allem, was ich so weiß) früher weit schlimmer gewesen sein und ist wohl im Rückgang begriffen.
Tatsächlich ist es aber so, dass nach dem Essen laut gerülpst und aufgestoßen wird und niemand daran Anstoß nimmt. Es ist also ganz normal, dass meine Kollegen und Kolleginnen vom Essen kommen und dann im Büro erst mal ihr „Bäuerchen“ machen. Daran muss man sich als Europäer erst gewöhnen. Nähere Details will ich jetzt aber nicht schildern.

3.Wie ist das Wetter in Shanghai?
Bis Mitte Oktober konnte und habe ich tatsächlich in kurzen Hosen unterrichtet. Die Temperaturen waren angenehm und die im Sommer hohe Luftfeuchtigkeit ist zurückgegangen. Mittlerweile gab es auch schon kühlere und kältere Tag (was allerdings auch mit einem frischen und unangenehmen Luftstrom vom Meer zusammenhängt), sodass ich auch schon im Schal vor der Klasse stehen musste, da in der Schule nicht geheizt wird. Zur Zeit (Stand 4. November) haben wir wieder etwas angenehmere Temperaturen und man kann kurzärmelig umherlaufen. Was mich dann im Winter erwartet, weiß ich noch nicht: Mal sehen und warm anziehen.

4. Ist Chinesisch schwer zu lernen?
Die einen sagen Ja, die anderen Nein. Ich sage Ja, aber es macht Spaß und ist sehr interessant. Ich versuche mich jetzt schon einige Zeitlang an dieser so fremdartigen Sprache und mache nur geringe Fortschritte. Es gibt zwei grundsätzliche Probleme: Zum einen sind viele Silben und Wörter in ihrer Intonation nur minimal verschieden (das hängt mit den vier Tönen zusammen), sodass ich den Unterschied kaum wahrnehmen, geschweige denn reproduzieren kann. Zum anderen muss man zunächst einmal die lateinische Umschrift (Pinyin) der chinesischen Wörter lernen, sonst weiß man nicht, wie sie ausgesprochen werden. Das bedeutet aber faktisch, dass man im Grunde zwei Wörter lernen muss, um ein chinesisches Zeichen zu verstehen. Also doppelter Lerneinsatz. Die chinesische Grammatik hingegen ist weniger kompliziert als die deutsche.
Ich selbst lerne Mandarin bzw. Hochchinesisch, was im Grunde eine künstliche Einheitssprache ist, die sich am Pekinger Dialekt orientiert. In Shanghai oder gar in Kanton und anderswo werden ganz andere Dialekte gesprochen, sodass sich die Chinesen auch untereinander gar nicht immer verstehen. Die Einheitlichkeit wird nur über die Schriftzeichen hergestellt. Diese zu erlernen, ist eine Sache der Übung und des Fleißes. Man sagt, dass es über 50000 Schriftzeichen gibt und dass ein Durchschnittschinese – was ist das? – vielleicht 4000 bis 5000 Zeichen beherrscht, die anderen, wenn er denn auf sie stößt, muss er auch im Wörterbuch nachschlagen. Ich selbst kann derzeit (wenn ich mal zurückhaltend schätzen soll) etwa 100 Schriftzeichen schreiben.

5.Was passiert zu Weihnachten?
Das weiß ich jetzt noch nicht so genau. Tatsache ist aber, dass das Land, in dem wohl weltweit die meisten Weihnachtsartikel hergestellt werden, Weihnachten selbst gar nicht feiern wird und es wird auch für mich keine Weihnachtsferien geben. Unsere Weihnachtsfeiertage werden hier ganz normale Arbeitstage sein.
In den chinesischen Richtlinien für ausländische Beschäftigte ist aber zu lesen, dass man zu Weihnachten Anspruch auf zwei freie Tage hat. Mal sehen, was daraus wird.
In den hiesigen internationalen Handelsketten, in denen auch sehr viele Ausländer einkaufen, stehen jetzt aber schon Schokoladennikoläuse herum und man kann zumindest teilweise von so etwas wie einer Weihnachtsdekoration sprechen. Allerdings habe ich – trotz größter Suchanstrengungen – noch nicht meine geliebten Kinderschokoladenweihnachtsmänner ausfindig machen können. Ich fürchte, ich werde in diesem Jahr darauf verzichten müssen: Oder wisst ihr vielleicht, wo es die in China gibt?

Weitere Fragen sind jederzeit herzlich willkommen. Politisch brisante oder gar inkorrekte Kommentare und Fragen werden natürlich stillschweigend ignoriert und übergangen.

Sonntag, 24. Oktober 2010

Meine Überquerung des Jangtse

Die Goldene Woche – die Woche nach dem chinesischen Nationalfeiertag am 1. Oktober – habe ich genutzt und bin in das nördlich von Shanghai gelegene Nanjing gefahren. Dort besichtigte ich den recht bekannten Konfuzius-Tempel, die Ming-Gräber, das Mausoleum von Sun Yat-sen und das gigantisches Mahnmal für die Opfer des Nanjing-Massakers. Da in dieser Woche naturgemäß viele Chinesen auf Reisen sind, waren die einzelnen Sehenswürdigkeiten sehr überlaufen; insbesondere das Mausoleum von Sun Yat-sen wurde bei schönstem Sonnenschein von tausenden Chinesen besucht – und ich irgendwo mittendrin.
Am dritten Oktober fasste ich den Entschluss, den Jangtse in Nanjing zu überqueren. Ich fuhr mit einem Taxi zur großen, doppelstöckigen Jangtse-Brücke. Ein Monumentalbauwerk aus den 60er Jahren. Der freundliche Taxifahrer setzte mich in einem Neubauviertel ab, in dem ich den Fluss noch gar nicht sehen konnte. Ich war etwas irritiert, erkannte aber eine gewaltige Zufahrtsstraße zur Brücke. Links und rechts der breiten, mehrspurigen Fahrbahn waren Fußgängerwege, auf denen allerdings auch Motorradfahrer wild umherfuhren. Ich nahm also den Weg hinauf zur Brücke in Angriff. Endlos war dieser Weg und schien direkt in den Himmel zu führen. Erst nach einigen hundert oder tausend (?) Metern konnte ich die Brücke von Weitem erahnen. Ich ging weiter und erreichte schließlich die riesigen Brückenpfeiler, auf denen ganz im Stile der sozialistischen Architektur symbolische rote Feuer und Arbeiterskulpturen thronten. Endlich kam ich auf die Brücke und sah den breiten Jangtse unter mir.
Meine Überquerung dauerte recht lange, da der Fluss breit und die rasanten Motorradfahrer gefährlich waren. Schließlich erreichte ich ziemlich verschwitzt das andere Ufer. Nun wollte ich auf die andere Seite der Brücke, um zurückzukehren, doch das bedeutete wiederum eine lange Abfahrtsstraße hinab zu wandern, unter der Brücke hindurch zu gehen und auf der anderen Seite wieder hinauf zu gehen. Ich tat es und kam am Ende ziemlich erschöpft wieder am Ausgangspunkt an. Das ganze Unternehmen dieser „Doppelüberquerung“ dauerte zwei oder drei Stunden. Aber eine solche Jangtse-Überquerung hat eben auch etwas „Historisches“.
Ich kann nun zwar nicht von mir behaupten, ich sei übers Wasser gegangen oder ich sei durch den Jangtse geschwommen, wohl aber habe ich diesen großen, traditionsreichen Fluss Chinas überschritten und dem nördlichen Teil des Landes Hallo gesagt.
Am Abend bin ich dann in ein Steak-House gegangen. Ich dachte, ich hätte es mir verdient, – außerdem war es sehr angenehm nach vierwöchigem Stäbchengebrauch in der Schulkantine mal wieder mit Messer und Gabel zu essen.

Freitag, 24. September 2010

Mondfest


Das Mondfest oder auch Mittherbstfest wird traditionellerweise am 15. Tag des achten Monats gefeiert. Das war in diesem Jahr (gemäß dem europäischen Kalender) Mittwoch, der 22. September. Es gab schulfrei bis einschließlich Freitag; doch wer nun denkt, die chinesischen Schüler bekommen einfach so ein paar freie Tage, der irrt sich gewaltig. Die Unterrichtsstunden werden am kommenden Samstag und Sonntag nachgeholt. Diese Praxis ist keine Besonderheit sondern Gang und Gäbe in China. Und so kommt es gelegentlich vor, dass wir den Samstag und Sonntag in der Schule verbringen.
Zum Mondfest wurde ich in eine chinesische Familie eingeladen. Der Empfang war sehr herzlich; als Gastgeschenk bekam ich zwei Kong-Fu-Anzüge – einen weißen und einen roten. Ob es mit dieser Farbsymbolik eine besondere Bewandnis hat, kann ich nicht sagen, aber es ist davon auszugehen. Zum Mittagessen gab es für mich bekannte und sehr viel unbekannte Dinge, z. B. yu nai, ze shu und wuo wou tou. Nicht alles schmeckt so, wie es klingt. Ze shu beispielsweise sind kleine, eierförmige, lila Stückchen, die etwas süß schmecken. Aber – man merkt schon – es macht keinen Sinn über chinesisches Essen zu schreiben, man muss es einfach probieren.
Obwohl der Mond an diesem Abend wolkenverhangen war, habe ich ein Gedicht des berühmten chinesischen Dichters Li Bai zum Besten gegeben:

Stille Nachtgedanken

Vor meinem Bett das Mondlicht ist so weiß,
Dass ich vermeinte, es sei Reif gefallen.
Das Haupt erhoben schau ich auf zum Monde,
Das Haupt geneigt denk ich des Heimatdorfs.

(übertragen von Günter Eich)

Da ich das Gedicht – wenn auch in sehr mäßigem und stockendem – Chinesisch aufsagte, war mir die Bewunderung meiner Gastgeber sicher. So ging das Mondfest bei abendlichen Temperaturen um die 20 Grad zu ende.

Montag, 20. September 2010

Ach, das verflixte R

Ach, das verflixte R

Bei den kleinsten chinesischen Fremdsprachenlernern an der Schule versuche ich mir immer, besondere Mühe zu geben. Doch mein Einsatz und das Ergebnis stehen oft in einem Missverhältnis. Davon zeugt auch die folgende Episode: Wieder einmal führte ich Sprechübungen durch und wollte auch eine neue Vokabel einführen, nämlich das Wort „Kreide“. Eine Vokabel, von der ich dachte, sie könnte mir im Unterricht durchaus von Nutzen sein.
Ich griff also nach einem Stück Kreide, zeigte darauf und sagte „Kreide“. Wie üblich sprachen es alle im Chor nach. Doch was ich zu hören bekam, klang eher wie „Kleide“. Noch einmal – tatsächlich, es war „Kleide“. Ich schüttelte also mit dem Kopf – eine Geste, die glücklicherweise auch in China so verstanden wird, wie bei uns daheim – und wiederholte laut und deutlich „Kreide“. Sofort ertönte der Schülerchor erneut mit vollem stimmlichen Einsatz: „Kleide!“. Wiederum schüttelte ich mit dem Kopf und rief: „Kreide“ … „Kreide“ und schließlich: „Krrrrrrreide“. Große Schüleraugen blickten mich an. Doch als Antwort erhielt ich immer nur: „Kllllleide“.
Ich sprach es einzelnen Schülern vor, doch die Antwort war immer und immer wieder „Kleide“. Schließlich nickte ich zum Schluss bei dem Wort „Kleide“ und dachte: Gut, dann nennen wir es eben „Kleide“.
Wieder einmal bestätigte sich somit auf frappante Art und Weise eine tiefe Weisheit des Dichters Ernst Jandl:

lichtung
manche meinen
lechts und rinks
kann man nicht velwechsern
werch ein illtum


Später habe ich mit meinen chinesischen Kollegen über die R-Thematik gesprochen und die Problematik durchaus bestätigt gefunden. Die Unterscheidung zwischen dem am Zäpfchen gebildeten Reibelaut „r“ und dem in der Stimmritze gebildeten Verschlusslaut „l“ ist für das chinesische Ohr kaum wahrnehmbar. Der Prozess des Spracherwerbs ist in diesem Punkt durchaus heikel, langwierig und schwierig. Am besten – so meine erfahrenen Kollegen –, man führt das „r“ als eine Art Reibelaut, der am Gaumen gebildet wird ein. Also etwa wie das „ch“ im deutsch Wort „ach“. Dann hätte man zwar noch keine „Kreide“ aber so etwas ähnliches, wie das Krächzen von Krähen. Sollten wir da nicht wirklich lieber bei „Kleide“ bleiben?

Samstag, 18. September 2010

Typischer Tagesablauf

Nachdem ich im Land der Mitte – genauer gesagt in Shanghai – eingetroffen war, wurde mir der Tagesablauf an der Pudong Fremdsprachenschule, an der ich im kommenden Jahr Deutsch als Fremdsprache unterrichten soll, theoretisch und praktisch sehr schnell vermittelt. Wie sieht also der Tagesablauf an der Internatsschule aus?
Das obligatorische Wecken erfolgt um 6.15 Uhr mit Musik aus allen Lautsprechern. Es folgen Waschen, Appell und Frühstück. Um 8.00 Uhr beginnt der Unterricht, der bis 16.00 Uhr am Nachmittag reicht. Dazwischen gibt es eine lange Mittagspause von 12.00 Uhr bis 13.30 Uhr. Nach den Nachmittagsstunden ist aber längst noch nicht Schluss, denn bis circa 21.15 Uhr folgen dann verpflichtende Förderstunden, Hausaufgabenzeiten und Abendkurse. Gegen 22.00 Uhr ist dann Nachtruhe.
Wenngleich dies der typische Tagesablauf für die Schüler von Montag bis Freitag ist, kann ich mich dieser Dynamik kaum entziehen, da ich zum einen selbst im Internat wohne – also beispielsweise mit der schönen morgendlichen Musik geweckt werde – und zum anderen sich mein Stundenplan den Gegebenheiten anpassen muss. Das führt z. B. dazu, dass ich am Montag und am Mittwoch Abendkurse habe, die von 18.30 Uhr bis 19.30 Uhr gehen.
Der Montag weicht von diesem Rhythmus in einem Punkt ab: Es ist der allwöchentliche Schulbeginn und gegen 8.00 Uhr wird die chinesische Fahne gehisst, die dann die ganze Woche über unseren Köpfen flattert. Beim Hissen der Fahne versammeln sich alle – Schüler und Lehrer – auf dem Sportplatz und lauschen ehrfürchtig dem Fahnenlied (chin. 國旗歌, gúoqí gē), dessen Text bei Wikipedia wie folgt übersetzt wird:

Berge und Flüsse, großartig und schön;
die Bodenschätze und Ernten reich und üppig.
Ihr Nachkommen der Kaiser Yan und Huang, ihr werdet Ostasien erobern.
Bleibt nicht zurück, gebt euch nicht auf, verharrt nicht beim Alten.
Seid der Ruhm unseres Volkes, bringt den großen Frieden voran.
Aufbau ist schwer; erinnert euch an unsere Märtyrer,
Bewahren ist schwer; denkt nicht nur an den augenblicklichen Vorteil.
Seid eines Herzens und eines Willens,
Blauer Himmel, weiße Sonne und die ganze Erde rot.
Blauer Himmel, weiße Sonne und die ganze Erde rot.