Montag, 15. November 2010

Ein Ausflug nach Qingdao

Das 1898 von den Deutschen als Stadt gegründete Qingdao ist heute ein von vielen Chinesen besuchter Ausflugs- und Badeort. Ich wollte einmal wissen, was heute noch von den deutschen Einflüssen (außer dem bekannten Bier) erhalten ist, und habe mich also in das gut eine Flugstunde nördlich von Shanghai gelegene Qingdao begeben.


1.Etwas Historisches (auch für Maofreunde)
Auf einem Spaziergang durch den alten Stadtkern von Qingdao kann man ganz vereinzelt noch Gebäuden aus der deutschen Kolonialzeit begegnen: einem etwas verfallenen, ehemaligen Seemannsclub, den beiden Kirchen (protestantisch und katholisch), zahlreichen Villen, dem prächtigen Bahnhofsgebäude und vor allem dem ehemaligen Gouverneurssitz, der heutzutage ein Museum ist, in dem doch auch tatsächlich ein Bett ausgestellt ist, in dem der Große Vorsitzende Mao höchst persönlich gelegen haben soll.
Wenn man aus der heutigen Hubei Lu wieder die alte Kronprinzenstraße machte und die Qufu Lu wieder in die Berliner Straße zurückverwandelte, schließlich noch die chinesischen Hochhäuser und Kaufhäuser samt der ausländischen Fast-Food-Ketten einebnen würde, dann, ja dann hätte man die einstige Musterkolonie wieder zurück und man könnte glatt meinen, man sei in einer deutschen Kleinstadt um 1900. Aber wer will schon in Deutschland um 1900 sein? Und wer will in China um 2010 sein?

2.Etwas Sportliches (auch für Platoniker)
Der Zufall wollte es, dass ich – bei meiner Suche nach einer Gelegenheit den Lao Shan (ein Berg östlich von Qingdao) zu erkunden – auf eine chinesische Reisegruppe aus Wuhan stieß, mit der ich dann auch tatsächlich den ganzen Tag verbracht habe. Natürlich habe ich die gesamten Ausführungen der chinesischen Reiseleiterin nicht verstanden, auch wenn sie alles laut und deutlich durch ein Megaphon verkündete. Umgekehrt muss es meinen chinesischen Mitreisenden ganz ähnlich ergangen sein, wenn ich meine chinesischen Sätze (oder das, was ich dafür hielt) vor mich hin brabbelte.
Irgendein Chinese passte aber immer auf mich auf und so konnte ich auch nicht verloren gehen und habe alle Abfahrtszeiten des Busses pünktlich eingehalten. Die Gipfelbesteigung war ein ganz nettes Abenteuer: Zuerst sind wir mit einer Gondelbahn etwa 800 oder 900 Meter hinauf gefahren und dann durch den Felsen hindurch auf den Gipfel gestiegen. Wir sind also nicht außen an den Felswänden hinaufgegangen, sondern tatsächlich in den Berg hinein und dann eine wirklich finstere Höhle hinaufgeklettert. Da ich naturgemäß keine Taschenlampe bei mir hatte, war ich wirklich froh, dass alle Chinesen um mich herum mit ihren Lampen leuchteten, sodass ich hin und wieder sehen konnte, wohin ich trat. Der Höhlenaufgang war an einigen Stellen so schmal und eng, dass ich mich nur mit Mühe hindurch quetschen konnte. Spätestens zu diesem Zeitpunkt bekam das von mir zunächst belächelte Hinweisschild am Höhleneingang seinen Sinn; auf diesem Schild stand nämlich tatsächlich, dass dicken Menschen der Zutritt zur Höhle verboten ist (für Freunde des Konjunktivs: sei).

Nach diesem chinesisch-deutschen Höhlenaufstieg möchte ich sagen, dass ich Platons Höhlengleichnis nun wirklich viel besser verstehe. Man muss so eine Höhlenkletterei auf allen vieren wirklich einmal mitgemacht haben. Da wird man doch gleich wieder zum Affen oder gar zum Hund. Den Chinesen und mir hat das aber gut gefallen und am Ende wehte uns auf etwa 1100m ein frischer Wind um die Nase. Wobei das Wort „Nase“ hier vielleicht nicht ganz politisch korrekt ist (Stichwort: Langnasen). 
 
Am Ende besuchten wir noch einen Tee- und einen Fischladen, in denen sich meine Mitreisenden für die nächsten 10 oder 100 Jahre mit Tee und allen möglichen Fischprodukten eindeckten. Ich selbst habe mir für 40 RMB (Renminbi) grünen Laoshantee gekauft, denn der soll ja gesund sein. In Qingdao trennten sich dann wieder unsere Wege.



Am 14. November, auf den Tag genau 113 Jahre nach dem die Deutschen die Stadt besetzten, habe ich die Stadt wieder Richtung Shanghai verlassen. Zurück in der Gegenwart muss ich nun wieder Deutschunterricht erteilen.

Keine Kommentare: