Die sogenannte Goldene Woche war mal wieder angesagt: Das ist die Oktoberwoche nach dem chinesischen Nationalfeiertag (1. Oktober) und die Hauptreisezeit für die Chinesen. In diesem Jahr sollen es nach amtlichen Angaben über 300 Millionen Chinesen gewesen sein, die als Touristen im eigenen Land umhergereist sind. Ich kann zwar die exakte Zahl nicht bestätigen, aber es war ein unglaubliches Menschenmeer, das mir auf meiner Reise nach und in Qufu (der Heimatstadt des Philosophen Konfuzius) begegnete.
Die Zugtickets waren vollkommen ausverkauft, sodass ich entgegen meinen eigentlichen Plänen nur zwei Tage in Qufu bleiben konnte, denn für die geplante Rückfahrt am Donnerstag, Freitag oder zur Not auch am Samstag gab es einfach keine Fahrkarten mehr. Einfach nichts zu machen!
Tausende von einheimischen Touristen waren nach Qufu geströmt, um dort einen Blick auf den Konfuzius-Tempel, die gleichnamige Residenz und das Konfuzius-Grab zu werfen. Ich bin auch an diesen Orten gewesen, aber die Menschenmassen machten ein längeres Verweilen kaum möglich. Das Foto zeigt den Ansturm auf das Grab des Philosophen; das war schon am Abend – etwa zehn Minuten vor Sonnenuntergang.
Ich möchte mir gar nicht ausmalen, wie groß der Ansturm am Tag gewesen sein muss. Die Chinesen sind dann auch – entgegen den vielleicht gängigen Vorstellungen – wenig zurückhaltend: Sie schieben, drängeln und schubsen! Die einzelnen Reiseführer mit ihren Megaphonen (eingestellt auf die höchste Lautstärke) überbieten sich in ihrem Lärm und Geschrei. Selbst wenn eine Reisegruppe nur aus vier oder fünf Touristen besteht, setzt der Reiseführer ein Megaphon ein, um sich rein lautstärkemäßig gegen die anderen Gruppen durchsetzen zu können. Am Ende ist es ein einziges Geschrei!
Es machte keinen Sinn, länger in Qufu zu bleiben, obwohl es dort sehr schön und interessant war; deshalb bin ich in das etwa zwanzig Kilometer südlich gelegene Zoucheng ausgewichen – die Heimatstadt von Menzius. Dort war es zwar ruhiger, doch als Ausländer sorgte ich dort für mehr Aufsehen: Alte Menschen und Kinder blickten mich an und riefen „Waiguoren! Waiguoren!“ (Ein Ausländer! Ein Ausländer!). Andere haben mich auch angesprochen und nach meiner Herkunft gefragt. In der abgelegenen Provinz ist ein Ausländer immer noch eine „außerordentliche“ und vermutlich auch seltenere Erscheinung und kann einiges Aufsehen erregen. Trotzdem hatte ich in den Morgenstunden den Menziustempel ganz für mich allein, wie das Foto zeigt.