Das Mondfest oder auch Mittherbstfest wird traditionellerweise am 15. Tag des achten Monats gefeiert. Das war in diesem Jahr (gemäß dem europäischen Kalender) Mittwoch, der 22. September. Es gab schulfrei bis einschließlich Freitag; doch wer nun denkt, die chinesischen Schüler bekommen einfach so ein paar freie Tage, der irrt sich gewaltig. Die Unterrichtsstunden werden am kommenden Samstag und Sonntag nachgeholt. Diese Praxis ist keine Besonderheit sondern Gang und Gäbe in China. Und so kommt es gelegentlich vor, dass wir den Samstag und Sonntag in der Schule verbringen.
Zum Mondfest wurde ich in eine chinesische Familie eingeladen. Der Empfang war sehr herzlich; als Gastgeschenk bekam ich zwei Kong-Fu-Anzüge – einen weißen und einen roten. Ob es mit dieser Farbsymbolik eine besondere Bewandnis hat, kann ich nicht sagen, aber es ist davon auszugehen. Zum Mittagessen gab es für mich bekannte und sehr viel unbekannte Dinge, z. B. yu nai, ze shu und wuo wou tou. Nicht alles schmeckt so, wie es klingt. Ze shu beispielsweise sind kleine, eierförmige, lila Stückchen, die etwas süß schmecken. Aber – man merkt schon – es macht keinen Sinn über chinesisches Essen zu schreiben, man muss es einfach probieren.
Obwohl der Mond an diesem Abend wolkenverhangen war, habe ich ein Gedicht des berühmten chinesischen Dichters Li Bai zum Besten gegeben:
Stille Nachtgedanken
Vor meinem Bett das Mondlicht ist so weiß,
Dass ich vermeinte, es sei Reif gefallen.
Das Haupt erhoben schau ich auf zum Monde,
Das Haupt geneigt denk ich des Heimatdorfs.
(übertragen von Günter Eich)
Da ich das Gedicht – wenn auch in sehr mäßigem und stockendem – Chinesisch aufsagte, war mir die Bewunderung meiner Gastgeber sicher. So ging das Mondfest bei abendlichen Temperaturen um die 20 Grad zu ende.