Nach etwa fünf Stunden Flug quer durchs Reich der Mitte lande ich am Rande der Wüste in Dunhuang.
Dunhuang ist eine schöne, interessante und alte Oasenstadt im Nordosten Chinas. Marco Polo muss hier auch schon vorbeigekommen sein, als er der Seidenstraße entlang reiste. In den Ausläufern der Taklamakan-Wüste kann man nicht nur zwischen meterhohen Sanddünen umherstreifen, mit Kamelen reiten und im Sand rodeln, sondern auch mit dem Mondsichelsee eine einzigartige Landschaft bewundern. Bei über 30 Grad Celsius natürlich alles sehr schweißtreibende Angelegenheiten.
Dunhuang ist für den historisch und kulturell interessierten Besucher eine wahre Fundgrube: Zunächst einmal sind da die weltberühmten Mogao-Grotten mit ihren buddhistischen Statuen und Malereien und dann natürlich der multikulturelle Einfluss im gesamten Stadtbild.
An den Mogao-Grotten bin ich sehr früh am Morgen gewesen, sodass ich als der einzige Ausländer eine Einzelführung bekam.
In der Stadt wird der islamische Einfluss durch viele muslimische Garküchen und die Moschee sehr deutlich. Arabische und chinesische Schriftzeichen wechseln sich ab und enthüllen mir nicht ihr Geheimnis.
Etwa 20km vom Stadtzentrum entfernt befindet sich eine Rekonstruktion der alten Stadt Dunhuang, die heute als Kulissenstadt für diverse Kino- und Fernsehproduktionen benutzt wird. Eine große Scheinwelt – gleichsam wie eine Fata Morgana zwischen den Sanddünen gelegen. Hier beginnt der Orient von Osten aus gesehen.
Vor mehr als 2000 Jahren ließ der Han-Kaiser Wu am äußersten Nordostende seines damaligen Reiches Mauern, Wehrtürme und Festungen zum Schutz vor Feinden errichten. Die Überreste und Ruinen dieser Anlagen etwa 100km von Dunhuang entfernt sind heute noch zu besichtigen. Der Weg dorthin führt über staubige Straßen und durch endlose Kieswüsten.
Es ist eine imposante menschenleere Landschaft, die einem wie das Ende der Welt erscheint. Irgendwann tauchen dann zwischen ausgetrockneten Salzseen und einigen wilden Grasbüscheln verfallene Lehmmauern und Reste einstiger Festungen auf.
Eine einsame Hinweistafel kündet von der einstigen Bedeutung diese Ortes. Bei einem frischen Wind aus der Steppe oder sonst woher und bei weitem blauen Himmel träumt man sich in die vergangenen Zeiten zurück. Es bleibt aber ganz still und keine Menschenseele erscheint an diesem fernen Ort. (Wenn man an der Ostküste lebt in Metropolen wie Peking oder Shanghai, dann hält man es nach einiger Zeit nicht mehr für möglich, dass es in China Orte ohne Menschen gibt, weil einfach überall Menschen sind. Doch China ist groß und es gibt diese menschenleeren Gegenden noch.)
Mein Taxifahrer wartete mit seinem Wagen an einem verschlossenen Haus und rauchte gemütlich eine Zigarette, während ich die alten Mauern entlang streifte. Die gesamte Taxifahrt dauerte etwa fünf Stunden und war sehr unterhaltsam, da Yang Wu – so der Name des Taxifahrers – einfach und langsam sprach und mir auch immer wieder unbekannte Wörter und Wendungen aufschrieb und ausführlich erklärte. Auf diese Weise erhielt ich einen unvergesslichen Eindruck von der nördlichen Landschaft der Provinz Gansu.
Einige werden nun vielleicht noch erstaunt fragen: Mein Gott, fünf Stunden Taxifahrt – das kostet doch ein Vermögen? Für chinesische Verhältnisse mag das zutreffen, aber für mich waren es umgerechnet nur 30 Euro. Diesen Preis hatte ich vorher mit Yang Wu vereinbart. Was hätte ich wohl in Deutschland dafür bezahlt?