Donnerstag, 27. Januar 2011

Uwes Frageecke (Teil 2)

1.Wie ist der Schulalltag in Shanghai?
In chinesischen Schulen besteht für alle Lehrer von 8 Uhr morgens bis 16 Uhr am Nachmittag Anwesenheitspflicht. Jeder Lehrer hat einen eigenen mit einem Computer ausgestatteten Arbeitsplatz, an dem er auch den größten Teil seiner Arbeitszeit verbringt.
Ein chinesischer Lehrer, der ja immer nur ein Fach unterrichtet, hat in der Woche etwa 12 bis 14 Stunden Unterricht. Diesen Unterricht bereitet er komplett an seinem Arbeitsplatz vor. Zuhause arbeiten chinesische Lehrer ganz im Gegensatz zu den Lehrern in Deutschland also nicht. Das Wochenende ist dementsprechend auch wirklich frei.
An seinem Arbeitsplatz korrigiert der chinesische Lehrer auch die Hefte sowie die Unmengen an Tests, die fast wöchentlich geschrieben werden. Außerdem lässt sich der Lehrer täglich die erteilten Hausaufgaben zur Korrektur bringen. In den Pausen müssen auch einzelne Schüler den Lehrer aufsuchen, um zusätzlich mit ihm zu üben.
Leider haben chinesische Lehrer weniger Ferien als ihre Schüler. Das liegt daran, dass die Schüler unmittelbar nach den Semesterprüfungen schon in die Ferien gehen können, während die Lehrer noch eine Woche lang in der Schule damit beschäftigt sind, die Schülertests zu bewerten. Selbst wenn sie die Korrekturarbeiten schon nach zwei oder drei Tagen abgeschlossen haben sollten, müssen sie noch in der Schule „herumsitzen“.

2. Warum haben die Shanghaier Schüler bei der PISA-Studie so gut abgeschnitten?
Über dieses Phänomen und auch die Aussagekraft der PISA-Ergebnisse wird hier wie fast überall viel spekuliert und gerätselt. Ich möchte drei Gründe und eine Vermutung angeben für das außergewöhnlich gute Abschneiden der chinesischen Schüler:

a) Chinesische Schüler haben wesentlich mehr Unterricht als andere Schüler. Sie haben mindestens 40 Stunden Unterricht, hinzu kommen Förderstunden und Hausaufgaben. Nicht selten besuchen die Schüler auch am Wochenende fünf bis zehn Stunden den Nachhilfeunterricht.
b) Chinesische Schüler schreiben sehr viel mehr Tests als deutsche Schüler; außerdem sind sie an das im PISA-Test favorisierte Testformat (nämlich die Ankreuzfragen und die Lückentexte) gewöhnt. Chinesische Schüler – so könnte man etwas übertrieben sagen – lernen im Grunde nur für den Test.
c) Chinesische Schüler vollbringen durchweg hohe Gedächtnisleistungen und sind aufgrund ihrer Schriftzeichen auch zu höheren Konzentrations- und Aufmerksamkeitsleistungen gezwungen. Das macht sich sicherlich auch positiv bei PISA-Testungen bemerkbar.
d) Zuletzt ist aber auch der Verdacht aufgekommen, dass es sich bei den bei PISA getesteten Shanghaier Schulen um besonders ausgewählte Schulen handelte. Ein Verdacht, den ich allerdings nicht belegen kann.


3. Wie ist das Essen in China?
Das Essen spielt für die Chinesen eine sehr wichtige Rolle im Alltag. Es wird dreimal warm gespeist zu vergleichsweise frühen Zeiten: gegen sieben Uhr wird gefrühstückt, bereits zwischen elf und zwölf findet das Mittagessen statt und das Abendbrot gibt es bei uns an der Schule schon ab 17 Uhr.
Die chinesische Küche gibt es nicht, sondern ganz verschiedene Ausprägungen: Sichuaner Küche (besonders scharf), Kantonesische Küche, Shanghaier Küche (vor allem Fisch) usw. bieten eine ganz große Abwechslung. Ich kann hier nicht ins Detail gehen, da ich mich diesbezüglich auch viel zu wenig auskenne.
Ich kaufe mir das Essen mit Vorliebe an den vielen und sehr unterschiedlichen Straßenständen. Da wird schon früh am Morgen alles Mögliche frisch zu bereitet: Baozi, Nudelgerichte, Pfannkuchen etc. Natürlich gibt es auch auf den berühmten Naschmärkten ganz ausgefallene Sachen – es gibt im Grunde nichts, was die Chinesen nicht essen. Gegessen wird natürlich mit Stäbchen!

4. Kommen denn Briefe und Pakete in China an?
Die meisten Briefe kommen tatsächlich an und erreichen mich; aber eben nicht alle. Es gibt Briefe, von denen ich weiß, dass sie im Oktober abgeschickt wurden, die aber bis jetzt noch immer nicht eingetroffen sind. Ob dies an der deutschen oder der chinesischen Post liegt, vermag ich nicht zu sagen. Und auch wo diese Briefe nun sind, kann ich naturgemäß nicht sagen. Manche Briefe erreichen mich bereits nach drei Wochen, andere erst nach sechs Wochen oder sogar erst nach drei Monaten. Einen Brief nach China zu schicken scheint also eine Art Lotterie-Spiel zu sein, bei dem man eben nicht sicher sein kann, ob und wann er ankommt. Die an mich geschickten Pakete sind unterdessen alle angekommen, auch wenn ich sehr lange (zuletzt zwei Monate) darauf warten musste und das Päckchen mich in einem erbarmungswürdigen Zustand erreichte. Die darin unter anderem befindlichen Schokoladenweihnachtsmänner hatten nicht überlebt, sondern sich in feinstes Pulver verwandelt. So ist es.

Dienstag, 18. Januar 2011

Sibirische Kälte

Trotz mehrerer Schichten dicker Kleidung dringt die sibirische Kälte von Harbin früher oder später an einen heran und sticht schmerzhaft in die Gliedmaßen und vor allem ins Gesicht. Länger als zwei, maximal drei Stunden kann man es im Freien kaum aushalten, zumindest als Europäer (vielleicht die Norweger oder so). Die Einheimischen scheinen abgehärteter zu sein und man hört auch immer wieder von Eisschwimmern im zugefrorenen Songhua-Fluss. Gesehen habe ich aber keine.
Dieser Fluss liefert auch die Eisblöcke, aus denen dann im Winter (von Dezember bis Februar) die sogenannte Eis- und Schneewelt errichtet wird, die viele Touristen, aber auch Einheimische trotz der hohen Eintrittspreise (etwa 40 Euro) und den tiefen Temperaturen (etwa – 30 Grad Celsius am Abend) anlockt. In der Eis- und Schneewelt gibt es verschiedene Aufführungen und Aktivitäten und vor allem diverse Gebäude aus Eis zu besichtigen, die im Inneren mit farbigem Licht illuminiert sind.

Das diesjährige Thema des Eisfestivals von Harbin war Italien und so konnte man etwa die Mona Lisa von Leonardo da Vinci oder das Kolosseum von Rom als gigantische Schneekreationen bewundern. Doch, wie gesagt, lange hält man es in der Kälte nicht aus. Die drastische und nicht zu unterschätzende Wirkung der Kälte zeigte sich auch an zwei Bananen, die ich gekauft und für unterwegs in meinen Rucksack gesteckt hatte: Als ich sie nach etwa zwei Stunden hervorholte und sie essen wollte, waren sie schwarz vor Kälte und nicht mehr zu genießen.

Harbin ist die nördlichste Provinzhauptstadt von China (und mit etwa 46 Grad nördlicher Breite noch nördlicher als das russische Vladivostok). Der russische Einfluss ist nicht nur am Straßenbild – durch russische Gebäude (wie etwa die Sophienkathedrale) und Geschäfte – sondern auch an den relativ vielen Russen, die Harbin besuchen, erkennbar. In der Stadt – vor allem um den Bahnhof herum – herrscht ein großes Verkehrschaos: Passanten laufen, fahren oder schlittern ohne erkennbare Orientierung über die spiegelglatten Straßen, Wege und Plätze; überall säumen aufgestapelte Eisplatten die Straßen und die Luft ist erfüllt mit Dampf- und Rauchwolken.
Wie schön war es da, nach vier Tagen in der Kältewelt, wieder in das sieben Grad „warme“ Shanghai zurückzukehren.